Sprechen mit der Wahrnehmung des Nachhalls im Raum?

Die Vorstellung von Stimmübungen ist bei den meisten Menschen noch immer geprägt von der Idee, die Stimme sei etwas, das irgendwie im Körper produziert und diesen dann, nach Beendigung der Fertigung, in den Raum entlassen werde. Analog einer Autofabrikation: Auf der einen Seite rein mit den Rohstoffen (z.B. die Atmung), die dann vielfältig bearbeitet werden. Auf der anderen Seite rollt dann das fertige Produkt vom Fließband: Der Klang.

Die folgende Stimmübung mag ich besonders, weil sie nicht vom Körper, sondern vom Klang ausgeht. Sie ist zum einen ein alter Hut, den mir ungefähr 1990 der großartige Schauspieler und Schauspiellehrer Hans Schulze aufsetzte (und wer weiß, aus welchen antiken Koffern er den herausgekramt hatte); zum anderen ist sie heute natürlich- wie sollte es anders sein- auch empirisch auf ihre Wirksamkeit hin belegt. Es ging dabei um Sprechstimmen von Lehramtsanwärtern.
Und wer weiß, vielleicht darf man eines Tages ein bisschen Geld dafür ausgeben, um auch diesen alten Hut in einem Seminar mit Zertifikat käuflich zu erwerben. Bis dahin – so simpel geht’s:

“Achten Sie beim Sprechen auf den Nachhall Ihrer Stimme im Raum.”

Der Nachhall in Räumen ist unterschiedlich lang und unterschiedlich gefärbt; je nach Raumgröße und Beschaffenheit und je nach der Position im Raum. In lang nachhallenden Räumen kann man z.B. damit experimentieren, in den Nachhall der eigenen Stimme hinein, also gewissermaßen mit sich selbst im Duett, zu singen.

Hinweis zur Praxis: Diese Aufgabe gibt kein anzustrebendes Resultat vor. Sie können also nichts “richtig” oder gar “falsch” machen. Dieser Punkt mag viele verwirren, weil “Üben” ja für gewöhnlich das Richtig- und das Falschmachen als beruhigendes konzeptionelles Korsett beinhaltet.

Weiterführende Links:
– Die Wirkung des Sprechens unter Hall im Unterricht
– Stimmpraxis als die Kunst stimulativen Lehrens

Olaf Nollmeyer ist Autor und Trainer. Er unterrichtet und coacht seit 1994 Schauspieler, Sänger, Sprachheilpädagogen, Lehrer, Präsentatoren und Manager.