Sicher haben auch Sie Ähnliches schon erlebt: Sie heben das Telefon ab – und noch bevor Sie ein Wort sagen können, bricht ein Donnerwetter über Sie herein: „Sie haben mir versprochen, … … !! Das kann doch nicht sein, dass … … !! Wie kann es passieren, dass … … !!“ Spüren auch Sie jetzt, wie Ihr „Alarmprogramm“ losstartet?
Vorprogrammierte Reaktion
Angriff provoziert Abwehr. Beschwerde provoziert Rechtfertigung oder Beschwichtigung. Machtvolle unbewusste Programme werden aktiviert, wenn Sie eine Beschwerde mit Unangenehmem konfrontiert.
Die nachfolgenden Tipps sind dem aktuellen Trainingsprogramm von Arno Fischbacher zum Thema Voice Awareness am Telefon.
Wie Abwehrhaltung entsteht
Welche unmittelbare Auswirkung hat eine emotional vorgebrachte Beschwerde? Bedingt durch die Wirkung der sogenannten „Spiegelneuronen“ im Gehirn übernehmen wir in Sekundenbruchteilen spiegelbildlich die Haltung des „Angreifers“. Wenn Sie genau beobachten, erleben Sie:
- Gespannte Atmung: Wahrscheinlich haben Sie kurz reflexartig eingeatmet und halten dann unter Umständen sogar kurz die Luft an.
- Abwehrhaltung: Der Nacken hat sich nun etwas verspannt, die Schultern wölben sich leicht nach vor.
- Stimm-Muskulatur spannt sich: Ihre Stimme hat nun unbewusst die emotionale Energie des Anrufers übernommen. Das macht die Stimme höher, enger, blasser.
- Entgegnungs-Impuls: Die Welle an Reaktionen hat nun Ihr Sprachzentrum erreicht – unwillkürlich steigt in Ihnen ein verteidigendes „Ja … aber …!!“ auf.
Wie begegne ich dem Anruf professionell?
Zwei ganz unterschiedliche Anforderungen gilt es zu beachten. Erstens: Strategie. Wie Sie gedanklich mit dem Anliegen umgehen, was Sie antworten, ist oft Inhalt herkömmlicher Telefonschulungen. Zweitens: Emotionen. Wie Sie mit Ihren Reflexen und Gefühlen am Beschwerdetelefon umgehen, entscheidet letztlich Ihren Erfolg.
So nutzen Sie die unbewusste Macht der Stimme
Suchen Sie den Schulterschluss mit dem Anrufer und entziehen sich der Konfrontations-Gefahr: Vergegenwärtigen Sie sich vor dem Abheben, dass der Ärger des Anrufers gegen das Unternehmen, nicht gegen Sie persönlich gerichtet ist. Empfangen Sie Ihren Gesprächspartner neugierig. Und nutzen Sie die unbewusste Macht Ihrer Stimme.
- Beziehung aufbauen durch aktives Zuhören: Stress spannt Ihre Stimme. Umso wichtiger ist es in den ersten 20 Sekunden Ihres Gesprächs, auf die Wohlfühllage (Indifferenzlage) Ihrer Stimme zu achten. Quittieren Sie die wütenden Worte mit ehrlich interessiertem „mmhh, mmmhh!“. Nicken Sie dabei öfter anerkennend mit dem Kopf. Dieses Signal des „aktiven Zuhörens“ bringt Ihre Stimme unweigerlich in die Wohlfühllage. Die Stimme klingt nun etwas tiefer, voller und voluminöser. Das sendet unwiderstehliche Signale des Vertrauens, des Anerkennens und des Angenommenwerdens über die Leitung.
- Ja-Kette aufbauen: Sie hören gut zu und sind so in der Lage, einzelne wenige Worte der ankommenden Beschwerde nickend zu wiederholen. Das zwingt Ihren Gesprächspartner, kurz inne zu halten und zu bestätigen. Entscheidend: Sie haben Ihren Telefonpartner nun zum ersten Mal dazu bewegt, Ihnen zuzuhören und kurz zuzustimmen. So bereiten Sie den späteren positiven Gesprächsverlauf vor.
- Schulterschluss: Raus aus der Konfrontation! Sie spüren längst, wie die Emotionen des Anrufers langsam auf Sie übergreifen. Auch wenn es beim Telefonieren absurd erscheinen mag: Bewegen Sie sich! Setzen Sie sich seitlich hin! Stellen Sie sich vor, Ihre Drehung erlaube Ihnen nun, gemeinsam mit dem Anrufer auf das schwierige Problem zu blicken. Erst jetzt haben Sie die Chance auf ein lösungsorientiertes Gespräch und einen positiven Abschluss.
Stimm-Übung „Wohlfühllage“
So testen Sie die Wirkung des „aktiven Zuhörens“. Wenn Sie ein Aufnahmegerät oder Diktaphon haben, stellen Sie es bereit. Es ist meist nicht leicht, den eigenen Stimmklang gut zu hören. Nutzen Sie die Aufnahme zur Kontrolle.
- Stellen Sie sich vor, es wird gerade Ihr Lieblingsgericht serviert und der Duft hat gerade Ihre Nase erreicht. Lassen Sie nun ein brummig anerkennendes „mmmhh…, mmmhh!“ erklingen.
- Unmittelbar danach sprechen Sie ein, zwei Sätze mit normaler Stimme. Wenn Ihnen gerade nichts einfällt, nutzen Sie die Zahlenreihe „einundzwanzig, zweiundzwanzig, … “.
- Abschliessend vergleichen Sie den Klang der beiden Elemente. Lassen Sie sich überraschen, wie deutlich Ihre „normale“ Sprechstimme höher, vielleicht auch weniger satt und voluminös klingt als Ihr gebrummtes „mmmhh!“.
Tipp:
Viele Menschen glauben, zurückzuschreien, also „die Wut ausagieren“, wirke befreiend. Doch das ist falsch, wie Studien zeigen. Ein Ausbruch beseitigt den Ärger nämlich nicht. Vielmehr kocht der Mensch innerlich weiter – zum Schaden der Gespräche – und der Gesundheit. Der Körper wird in Alarmbereitschaft versetzt und produziert Stresshormone, die nur langsam wieder abgebaut werden. Die Blutfettwerte steigen, Herz und Gefäße können Schaden nehmen, die Atmung verflacht zunehmend und das Risiko für einen Schlaganfall oder Infarkt steigt.
Arno Fischbacher ist Wirtschafts-Stimmcoach, Rhetoriktrainer, Redner und Autor. Er trainiert Vorstände, Führungskräfte und Mitarbeiter zu den Themen Stimme, Sprach- und Medien-Kommunikation. Arno Fischbacher ist Vorstand und Inhaber der Plattform www.stimme.at
Arno Fischbacher im Internet
arno-fischbacher.com
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