Vor 200 Jahren erschien die Erstausgabe der „Kinder- und Hausmärchen“. Die Gebrüder Grimm sind heute weltweit bekannt und werden im Jubiläumsjahr rund um Grimm 2013 vielfältig gefeiert. Barbara Widhalm und Catarina Lybeck widmen sich aus diesem Anlass der wunderbaren Tradition von Märchen und geben Tipps für ein spannendes Vorlesen. An die Bücher, fertig, los!
1. Hier liest es sich gut!
Achten Sie auf eine ruhige Atmosphäre! Ein gemütliches Sofa, die Betthöhle unter dem Kinderbett, der Lehn- oder Schaukelstuhl oder klassischerweise das Bett sind ideal, um sich aneinander zu kuscheln und gemeinsam in die Geschichte „abzutauchen“. Kein „nebenher“ geführtes Gespräch, keine aufdringliche Musik oder Radioprogramm und schon gar kein Fernseher sollten stören.
2. Der richtige Moment
Am besten ist es, jeden Tag zur selben Zeit vorzulesen. Abends vor dem Schlafengehen ist eine sehr gute Zeit. Vorlesen sollte zu einem festen Zubettgeh-Ritual werden, das Kindern gut tut, um sich auf das Schlafengehen einzustimmen. Häufig haben Kinder auch Lust einmal ganz spontan ein Buch zu lesen; nehmen Sie diese Anregung unbedingt auf. Kinder genießen die Extra-Zeit und die Aufmerksamkeit, die ihnen damit geschenkt wird.
3. Freie Buchwahl
Lassen Sie das Kind, wenn es schon alt genug dafür ist (es muss eigentlich nur deuten können) selbst das Buch auswählen. Je älter das Kind bereits ist, desto gezielter findet die Auswahl statt. Sie werden feststellen, dass Kinder Bücher für bestimmte Erlebnisse oder Stimmungen nutzen. Dies lässt sie zu selbstbewussten Lesern werden, die von Anfang an mit ihrer ganzen Lust bei der Sache sind.
4. Zwischenfragen? Aber immer!
Lassen Sie Ihr Kind mitreden. Vorlesen bedeutet nicht, dass einer den Text herunternudelt und das Buch so hält, dass der Zuhörer die Bilder sehen kann. Vorlesen bedeutet im Dialog stehen – verbal und emotional. Beim aufmerksamen Vorlesen spürt man, was das Kind bewegt. Ob es Fragen hat oder einfach selbst etwas zu dem Geschehen sagen möchte – vielleicht weil ihm dazu etwas aus seinem Alltag eingefallen ist – dazu soll einem Kind genügend Raum und Zeit gelassen werden.
5. Es ist ein Kinderbuch – und darf auch so behandelt werden
Lassen Sie Ihr Kind auch mal vor- und zurückblättern. Auch wenn Sie die Geschichte gerne weiterlesen möchten. Nutzen Sie das Interesse und die Neugierde Ihres Kindes. Lassen Sie es in Ruhe das Buch betrachten – pausieren Sie mit dem Lesen. Ihr Kind wird Sie bald verwundert ansehen und fragen, warum Sie nicht mehr vorlesen und wird dann schnell wieder aufmerksam zuhören wollen.
6. Don’t hurry, be happy!
Drängen Sie ihr Kind nicht, die Geschichte möglichst schnell durchzuarbeiten: Das Kind wird die Lust an diesem „Pflichtprogramm“ verlieren und dem Buch wahrscheinlich die kalte Schulter zeigen. Kinder spüren, wann es um sie geht und wann ein Erwachsener damit beschäftigt ist, eine „Aufgabe zu erledigen“. Seien Sie ganz bei Ihrem Kind, auch wenn es etwas länger dauert.
7. Der Vorleser als Co-Autor
Verändern Sie Geschichten auch mal, je nach Bedarf. Erzählen Sie etwa einen Bezug auf Ihr Leben, damit wird Ihr gemeinsamer Alltag aufgefangen und es kann sich ein Dialog entwickeln. Lassen Sie die Hauptdarsteller oder andere Figuren des Buches mit Ihrem Kind reden – das finden die Kleinen besonders toll! Überraschende Änderungen der gewohnten Geschichte fesseln die Aufmerksamkeit, da Kinder das Unerwartete einfach spannend finden.
8. It’s Showtime!
Gehen Sie beim Vorlesen richtig mit. In jedem von uns schlummern ungeahnte schauspielerische und komödiantische Fähigkeiten, die wir hier voll zur Entfaltung bringen können. Kinder finden es überhaupt nicht peinlich, sondern spannend, wenn Mama oder Papa etwa mit verstellter Stimme oder anderem Akzent vorlesen. Unsere Kinder werden es uns durch gebanntes Zuhören und Beobachten unserer Mimik und Gestik danken. Bald schon werden sie beginnen, uns zu imitieren und sie werden uns damit ganz besonders zum Lachen bringen!
9. Leser haben ein Bücherregal
Richten Sie Ihrem Kind ein kleines Bücherregal ein, das sicherlich – ebenso wie Ihr Kind – sehr schnell wachsen wird. Dort kann es seine „Schätze“ sammeln. Das Kind kann bei der Auswahl des Buches seinen Blick über seine Bücher schweifen lassen und es wird immer wieder gerne von sich aus zu seinen Büchern greifen, wenn es einen reichen Fundus vorfindet.
10. Die Wunderwelt der Bücher gemeinsam entdecken
Nehmen Sie Ihr Kind mit zu den Orten, wo es Bücher in Hülle und Fülle gibt. Sei es in Buchhandlungen, Bibliotheken, Bücherflohmärkten … Suchen Sie gemeinsam mit Ihrem Kind ein Buch aus, lassen Sie sich beraten, schauen Sie sich um. Es gibt auch eine Menge alter Bücher, die heute noch Kinder begeistern.
Inspiriert von der Kinderbuch-Couch.de
Dr. Barbara Widhalm leitete den Studiengang Logopädie an der FH Campus Wien und bietet neben Einzelcoachings sprechlust-Trainings gemeinsam mit Catarina Lybeck an. Als Psychologin widmet sie sich auch dem Thema Stimmwirkung und Ausdruck. Mehr unter www.sprechlust.at.
Mag. Catarina Lybeck ist Stimmtrainerin und dipl. Opernsängerin. In ihrem Studio in Salzburg führt sie Gesangs- und Stimmtrainings durch. Schwerpunkte ihrer Arbeit: Wahrnehmungsorientiertes Training der Sprech- und Gesangstimme, Atemtechnik, persönlicher Ausdruck, Einzelcoachings sowie Seminare und Vorträge rund um das Thema Stimme.